Elon Musk hat einen Werbetext für die AfD verfasst und wenig daran ist überraschend. Die Abläufe rund um die Veröffentlichung offenbaren jedoch, wie gut das mediale Zusammenspiel der extremen Rechten heute funktioniert. Und es lohnt sich zu untersuchen, wie der reichste Radikale der Welt argumentiert, wenn er mehr als 280 Zeichen zur Verfügung hat.
[erschienen leicht gekürzt unter „Wie Elon Musk die AfD verharmlost“,
in: Die Presse, 31.12.2024]Musk, der bereits die autoritäre Wende in den USA finanziert, verkündete jüngst: „Allein die AfD kann Deutschland retten.“ Nun hat er versucht, seine Position in einem Kommentar zu begründen. Erschienen ist dieser nicht auf seiner Online-Plattform X, sondern in einem klassischen deutschen Leitmedium, der Welt am Sonntag. Die AfD fertigte aus dem Text flugs schicke Zitat-Tafeln inklusive AfD-Logo und postete diese auf X. Die angefügten Links führen zu dem Online-Krawallblatt Nius, welches Musks Text von der Welt abgetippt hat. Nius wiederum wird von einem der reichsten Deutschen finanziert und so schließt sich der Kreis.
Der Aufstieg rechtsextremer Parteien gelingt nicht nur aufgrund ihres Vorsprungs in den sozialen Medien, in denen reaktionäre Kanäle boomen. Es benötigt gleichgesinnte Financiers und Verbündete im Mainstream. Musks AfD-Werbetext hat vor allem deshalb so viel Aufregung verursacht, weil er in der Welt am Sonntag erschienen ist. Die AfD wird vom deutschen Verfassungsschutz als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ geführt, mehrere Landesorganisationen sowie die AfD-Jugend gelten als „gesichert rechtsextrem“. Wohl hat die Welt schon länger rechte Schlagseite, doch eine begeisterte Lobpreisung für die AfD zu veröffentlichen, ist selbst für das Springer-Blatt ungewöhnlich.
Die Welt am Sonntag wird dank der Aufregung möglicherweise ein paar Ausgaben mehr als sonst verkaufen, langfristig wird ihr das Steigbügel-Halten nichts bringen. Auf jeden Fall profitieren wird die AfD: Ein Jubeltext wie jener Musks ist so in noch keinem Mainstream-Medium erschienen und wird zur Normalisierung der Partei beitragen. Dazu gab's maximale Aufmerksamkeit: Medien weltweit berichten über Musks Wahlempfehlung, der Autor selbst verlinkte auf X nicht zur „Weld“ (sic), sondern zum X-Account der AfD-Parteivorsitzenden Alice Weidel.
Wer Elon Musk in den letzten Jahren auch nur ein bisschen Aufmerksamkeit gewidmet hat, dem ist bekannt, dass er längst nach ganz-rechts-außen abgebogen ist. Die Twitter-Sperren zahlloser Rechtsextremisten hob Musk auf, regelmäßig teilt er menschenfeindliche Posts mit seinen 210 Millionen Followern. Musk schwadroniert vom „woke mind virus“, die Verschwörungserzählung vom „Großen Austausch“ bezeichnet er als die „tatsächliche Wahrheit“.
Gemessen an seinen zahllosen Tweets (durchschnittlich knapp 100 pro Tag), in denen er ungefiltert rechtsextreme Inhalte raushaut, ist es interessant zu sehen, wie Musk formuliert, wenn er sich ein bisschen zusammenreißt. Und siehe da: Sein Gastkommentar liest sich beinahe wie ein 08/15-Meinungstext eines x-beliebigen rechts/konservativen Mediums:
Am Beginn steht die obligate Panikmache: Deutschland „taumelt am Rande des wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenbruchs“. Steuersenkungen und Deregulierungen wären die Lösung, welche sich Musk von der AfD verspricht. Neben der Wirtschaft ist es v.a. die deutsche Kultur bzw. Identität, um die sich Musk sorgt. In drei knappen Spalten finden sich acht Bezüge zu den beiden Begriffen: es sei zu einer „Aushöhlung der nationalen Identität“ gekommen, Deutschland müsse sein „kulturelles Erbe bewahren“ usw. – Musk kommuniziert völkische Denkweise in zeitgemäßem Vokabular.
Die AfD ist für Musk „der letzte Funke Hoffnung für dieses Land“. So etwas wie eine logische Beweisführung für diesen Standpunkt liefert er nicht. Sein Text ist im Grunde eine Aneinanderreihung rechter Talking-Points:
> Überfremdung: Musk schreibt, dass Deutschland „seine Grenzen für eine sehr große Zahl an Migranten geöffnet“ hat und dass dies „zu bedeutenden kulturellen und sozialen Spannungen“ geführt hat. Dazu schwadroniert er wie erwähnt wieder und wieder von der bedrohten deutschen Kultur/Identität… = Überfremdungsparanoia
> die Rechte kämpft für die Meinungsfreiheit: Die AfD „spricht die aktuellen Probleme an – ohne die politische Korrektheit, die oft die Wahrheit verdeckt.“ Sie fördert „kritisches Denken anstelle von Indoktrination“.
> rechts = vernünftig: Die AfD stehe für einen „pragmatischen Ansatz“ und „politischen Realismus“. Ihre Gegenspieler handeln „zwar in humanitärer Absicht“, sind letztlich aber „naiv“. [Spätestens seit dem Feindbild vom „Gutmenschen“ übt sich die Rechte darin, linke oder schlicht humanistische Positionen als naiv abzutun.]
> Verharmlosung: Musk schreibt, dass die AfD für eine „kontrollierte Einwanderungspolitik“ eintrete, ihre teils sehr konkreten Remigrationspläne unterschlägt er. Die sehr ernstzunehmende Einordnung der AfD als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ durch den Verfassungsschutz verkommt bei Musk zu einem „angeheftetem Label“.
Die Kategorisierung der AfD als rechtsextrem scheint ihn besonders zu stören, da er diese an mehreren Stellen zurückweist. Eine davon liefert das argumentative Highlight des Textes:
„Die Darstellung der AfD als rechtsextrem ist eindeutig falsch, wenn man bedenkt, dass Alice Weidel, die Vorsitzende der Partei, eine gleichgeschlechtliche Partnerin aus Sri Lanka hat! Klingt das für Sie nach Hitler? Ich bitte Sie!“
Musk verknüpft hier gleich zwei Klassiker rechter „Argumentationslogik“ in einem Absatz:
> Ich kann kein Rassist sein, weil ich hab ausländische Freunde!
> Es ist erst Rechtsextremismus, wenn Vernichtungslager stehen!
[...weil mir die Worte fehlen: Wie kommt es, dass einer sowas hinschreibt und für ein gutes Argument hält? Und wie kommt es, dass so etwas in den Druck geht? Ist das am Ende ein subversiver Akt der Welt am Sonntag, um Elon Musk zu blamieren?
Ich weiß es nicht. Aber es ist mir ein echtes Rätsel.]Die Kritik an der Veröffentlichung des AfD-Loblieds in der Welt am Sonntag ist so lautstark ausgefallen, dass Chefredakteur Ulf Poschardt und sein Nachfolger Jan Philipp Burgard ein gemeinsames Statement dazu veröffentlicht haben. Ihre Verteidigung: „Die aktuelle Diskussion um den Text von Elon Musk ist sehr aufschlussreich. Demokratie und Journalismus leben von Meinungsfreiheit.“
Falls das jemand bekannt vorkommen sollte: Es ist das gleiche Argument, mit dem Elon Musk den Kauf von Twitter begründet hatte – bevor er es in eine Werbeplattform für Donald Trump verwandelte.


good one !